Takte, die jeder kennt: zwei Flöten liefern sich ein Wettrennen, dahinter steuert die Harfe sachte Tupfer hinzu, die Violinen und Celli stürzen mit in die an- und abschwellenden Arpeggien, ehe dann alles in eine der berühmtesten Melodien der Musikgeschichte mündet. Smetanas “Moldau” aus dem Tongedichtzyklus “Ma vlast” eröffnet unsere Winterkonzerte 2013/14 und auch der Rest des Programms steht diesmal ganz im Zeichen Tschechiens.
 
Die Reise entlang der Moldau endet in schwelgerischem Dur, aber wir springen im Anschluss direkt ins 20. Jahrhundert und erkunden mit Martinus “Rhapsody-Concerto” für Viola und Orchester komplexere Klanglandschaften. Hier ist die Rhythmik plötzlich vertrackter, die Melodik subtiler und jeder grandiose, schamlos spätromantische Ausbruch wird rasch unterlaufen. Unser exzellenter Solist Cornelius Mayer navigiert die virtuosen Momente dieses Konzerts brillant und demonstriert in den Pathos-geladenen Legati den ganz eigenen Charakter der Bratsche. Die randvolle Aula des Maria-Ward-Gymnasiums ist in beiden Situationen hin und weg.
 
In der Pause serviert unser Helferteam, ganz MiO-typisch, tschechische Snacks. Dann die zweite Hälfte: wir machen uns an Dvoraks achte Symphonie. Hier steckt alles drin, was Dvoraks Opus zu bieten hat. Unheimlich eingängiges Material, gewohnt raffinierte Instrumentation, opernhaft dramatische Momente im langsamen Satz und ein explosives Finale, in dem sich vor allem unsere Blechbläser austoben.
 
Wir danken allen, die dieses Konzertdoppelpack wieder möglich gemacht haben, und freuen uns schon jetzt auf den Sommer. So viel darf schon verraten werden: es wartet das HEiMSPiEL mit Brahms und aufregender neuer Musik aus Deutschland.
 
 
 
Die Posaunen setzen ein und vierzig Augenpaare gehen ganz weit auf: im Januar besuchten zwei Schulklassen einer Schwabinger Grundschule in der Haimhauserstraße eine Probe des MiO. Bedrich Smetanas weltberühmte “Moldau” steht nämlich nicht nur im Lehrplan, sondern auch auf unserem Programm für das Wintersemester 2013/14. Ein solches Werk auf CD oder Video zu erleben ist gut, es im Konzertsaal zu hören besser, aber wann hat man schon die Gelegenheit, den Hörnern beim großen Finale direkt im Nacken zu sitzen?
 
Vorbereitet wurde dieser etwas andere Schulausflug vor Ort — nämlich im Klassenzimmer. Unser Dirigent, Chris McMullen-Laird, gab den Schülern eine Schulstunde lang Dirigerunterricht. Arme rhythmisch schwingen lassen, ein “J” in die Luft zeichnen und darauf achten, dass alles im Takt bleibt: leichter gesagt als getan. Die Kinder, allesamt zwischen acht und zehn Jahren, sind mit Elan dabei. Viele spielen selbst Instrumente und melden sich eifrig, wenn es darum geht, “crescendo” zu erklären; andere tauen auf, wenn sie endlich die Gelegenheit bekommen, einen Dirigerstab in die Hand zu nehmen. Chris erläutert Konzertetiquette, lässt wild klatschen, macht den Unterschied zwischen “bravo”, “brava” und “bravi” klar, und — wichtig! — zeigt, wie sich absolute Stille anfühlt. Zwei Streicher aus dem Orchester sind mit von der Partie und demonstrieren, wie entscheidend es sein kann, einen Dirigenten an Bord zu haben. Mal wird zu hoch, mal zu tief gespielt; mal zu schnell, mal zu langsam. Stolz schnellen Finger nach oben, sobald die Fehler erkannt werden. Was macht eigentlich ein Dämpfer? Wo genau liegt der Unterschied zwischen Violine und Viola? Und warum sehen alle auf der Bühne wie Pinguine aus? Chris beantwortet Fragen, die man im Konzertsaal nicht stellt.
 
Eine Woche später dann das Wiedersehen in der Probe. Wir arbeiten eine Stunde lang an der “Moldau” und zeigen den beiden Klassen, wie viel passieren muss, ehe die Töne am rechten Platz landen. Viele der Kinder sitzen nicht nur nahe am Orchester, sondern mittendrin; ein Klangeindruck, der nicht alltäglich ist. Ebenso ungewöhnlich die Reaktion, als wir zum ersten Mal beim beschwingten Tanz der “Bauernhochzeit” ankommen: eine ganze Reihe Kinder wippt fröhlich im Takt. Auf vielen Gesichtern im Orchester zeichnet sich jetzt ein breites Grinsen ab. Am Ende der Probe steht ein Gesamtdurchlauf, bei dem auch einige Eltern aufmerksam lauschen, die ihre Kinder abholen möchten. Die Schüler lassen es sich aber nicht nehmen, die Orchestermitglieder im Anschluss noch ausgiebig über ihre Instrumente auszuhorchen.
 
 
 
Für uns waren die beiden Besuche ein musikalisches wie pädagogisches Erlebnis ganz besonderer Art. Auch den Schülern scheint es gefallen zu haben: Einige Tage nach der Probe erreicht uns ein Paket mit Fotos, Zeichnungen und einem von ihnen formulierten Dankesbrief. Auch die zuständigen Lehrkräfte auf Schulseite hatten Freude an dem Projekt:
 
“[W]as für eine tolle Erfahrung! Die Faszination auf den Gesichtern der Kinder war für mich die größte Bestätigung dafüt, dass wir als Schule so oft wie möglich versuchen müssen, die Kinder mit dem, was sie lernen sollen, direkt begegnen zu lassen. Haben Sie nochmals vielen herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft zu uns zu kommen, Ihre Zeit im Unterricht und beim Abholen und dafür, dass Sie die Kinder während der Probe so großzügig miteinbezogen haben. Auch die Begegnung mit den einzelnen Musikern und der direkte Kontakt mit den Instrumenten am Ende war für sie faszinierend.” (Andrea Fischer, Rektorin der Grundschule)
 
Wir danken allen, die dieses Zusammentreffen durch rege Mithilfe ermöglicht haben, und hoffen, dass das MiO auch in Zukunft ungewöhnliche Begegnungen fördert. Da drückt man auch gerne noch einmal die Schulbank.
 
Oft passiert uns das mit Mendelssohn und Kollegen nicht: Bei den beiden Sommerkonzerten des MiO im Juli hatten wir einen der Komponisten unseres Programms direkt im Publikum. Simone Corti besuchte uns für die letzten Schritte auf dem Weg zur Aufführung in München. Sein für unser Orchester komponiertes Werk seconda immagine imperfetta nahm das Publikum mit auf eine Reise in die Grenzbereiche des Orchesterklangs: Flirrende Klappengeräusche, peitschende Unisono-Rhythmen, hauchzarte Streichersoli—für unsere Zuhörer so spannend wie für die Ausführenden. Großer Dank an Simone, und wir hoffen, auch in Zukunft mit experimentierfreudigen jungen Komponisten zusammenarbeiten zu können.
 
An Kontrasten mangelte es an diesem Abend nicht. Simones Klangexperimente wurden umrahmt von Klassikern des Repertoires. Rossinis Ouverture zu “La gazza ladra” eröffnete den Abend schwungvoll. Den angemessen sommerlichen Abschluss bildete Mendelssohns vierte Symphonie mit dem Untertitel “Italienische” (geschummelt haben wir beim Ländermotto also nicht). Schwelgerisch-virtuos dann der fantastische Solist des Abends—Cellist Peter Schmidt, der in den drei Sätzen von Nino Rotas erstem Konzert alles gab. Ob aufbrausende Dramatik im Allegro, schwebendes Legato im Larghetto cantabile oder die kecken Bagatellen des Finales: Peter hatte alle Nuancen des Konzerts präzise im Griff.
 
Nach den tropischen Temperaturen bei ‘O SOLE MiO gilt es sich jetzt erst einmal wieder warm einzupacken. Aber der nächste Sommer kommt bestimmt.